Mara

Liebes Team von Russische Tiere in Not,im März 2012 habe ich meine Hündin Mara (bei Euch hieß sie noch Marta) von Euch adoptiert. Vielleicht kann sich der eine oder andere von Euch noch an sie erinnern.
Vor drei Wochen, am 13.06.2025, musste ich sie schweren Herzens nach über 13 gemeinsamen Jahren über die Regenbigenbrücke gehen lassen.
Ich möchte Euch gerne ein bisschen von Mara erzählen.

Mara war nicht “einfach nur” mein Hund.
Sie war meine beste Freundin, lange Zeit auch meine einzige, meine Begleiterin in meinen dunkelsten Stunden, meine Angstnehmerin und Mutmacherin und meine Lebensretterin. Sie hat mehr für mich getan, als sie jemals gewusst hat, und wahrscheinlich wäre ihr das auch ziemlich egal gewesen.
Ich habe erst im Erwachsenenalter die Diagnose Asperger Syndrom bekommen. Diese späte Diagnose war die Ursache dafür, dass ich jahrelang an schweren Depressionen und Angststörungen gelitten habe und, bevor Mara in mein Leben kam, lange Zeit sehr einsam war.

Weil ich schon als Kind Hunde hatte, wünschte ich mir irgendwann eine fellige Begleitung. Einfach war das nicht, ich konnte wegen meiner Krankheit nicht arbeiten und hatte nur eine kleine Wohnung, weshalb mir erstmal niemand einen Hund anvertrauen wollte. Aber bei Euch war das anders, und so kam Mara im Alter von 15 Monaten zu mir.

Als ich ihr ihren Namen gab, wusste ich nicht, dass dieser “bittersüß” bedeutet. Und noch viel weniger konnte ich ahnen, dass es keinen besseren Namen für sie hätte geben können. Mara war ein Hund voller Gegensätze, Dr. Jakyll und Mr. Hyde, eine Katze im Körper eines Hundes. Sie hatte damals schon Einiges hinter sich, zweimal eine Familie, die sie irgendwann auf die Straße setzte, Leben auf der Straße, Welpen mit der ersten Läufigkeit und schließlich das Tierheim in Russland.

Man hat ja so seine Vorstellungen, wenn man sich einen Hund anschafft, insbesondere dann, wenn der Hund schon eine Geschichte hat. Ich wünschte mir so sehr gemütliche Spaziergängen, ganz viel Kuscheln, ein bisschen Nähe, weil ich die von Menschen meistens nicht besonders mag. Ich ging davon aus, dass es aufgrund von Maras Vorgeschichte anfangs erstmal ein bisschen schwierig wird, dass sie vielleicht ein bisschen ängstlich und ohne Vertrauen sein wird, aber dass wir das ganz bestimmt hinbekommen. Naja, das waren so meine Erwartungen, und Mara hat keine einzige davon erfüllt.

Als sie zu mir kam, war sie voller Selbstbewusstsein und man hatte das Gefühl, dass es für sie absolut selbstverständlich war, dass sie jetzt bei mir ist. Es war leicht mit ihr, irgendwie so, als wäre sie schon immer da gewesen. Sie war wahnsinnig lieb, total entspannt, von Anfang an stubenrein. Sie hat nie etwas kaputt gemacht, niemals Gebell, konnte von Anfang an alleine bleiben, war freundlich zu allen Menschen und Hunden.
Aber Vieles war auch schwer. Mara war extrem charakterstark, autonom, freiheitsliebend und unfassbar stur. Auf den ersten Bildern, die ich von ihr gesehen hatte, sah sie aus wie ein Schäferhund Mischling. Was ich bekam, war ein 1A Husky.

Was Mara nicht wollte, das tat sie nicht – keine Chance und was Mara wollte, das musste gemacht werden – keine Diskussionen. Ein Hund mit einer unfassbare Stärke, Kraft und Ausdauer, einem enormen Bewegungsdrang- und Freiheitsdrang, Jagdtrieb für 10. Und ich war doch so furchtbar unsportlich… Draußen war sie eine Maschine, 4 – 5 Stunden am Tag draußen musste schon sein, stundenlang Löcher buddeln, egal wie scheußlich das Wetter war. Ich durfte mitgehen, aber ansonsten hatte ich nicht viel zu melden, gehört hat sie draußen eigentlich nie. Dafür ruhte sie dann Zuhause in sich selbst und war so unauffällig, dass man manchmal gar nicht merkte, dass sie da war.
Gemütliche Kuschelstunden waren nicht drin, mal streicheln, wenn es denn unbedingt sein muss, aber nicht zu viel körperliche Nähe und bitte auch nicht so lang. Es war ihr auch egal, wenn es mir mal nicht so gut ging, im Leben hätte sie sich nicht mal tröstend zu mir gelegt oder mal Rücksicht auf mich genommen – “Jetzt heul hier nicht rum und stell Dich nicht so an, Frauchen, wir gehen jetzt mal noch ein paar Stunden raus!”
Mara hat einem nie das Gefühl gegeben, dass sie einen braucht, es war ok, dass man da war, aber musste auch nicht sein. Mit Liebesbekundungen war sie mehr als sparsam.
Ich bin mir bis heute manchmal nicht sicher, ob sie wirklich ein Hund war oder vielleicht doch eher ein Wolf…bei Straßenhunden kann man ja nie ganz sicher sein.
Mara hat mich ganz oft an meine physischen und psychischen Grenzen gebracht. Ich habe anfangs oft gezweifelt, ob ich ihr wirklich gerecht werden kann. Ob ich ihr das geben kann, was sie braucht. Ob wir jemals ein Team sein können. Alles, was ich über Hunde wusste, galt für Mara nicht. Ich hatte mir das alles so viel entspannter vorgestellt. Dazu kam dann noch, dass sie eine panische Angst vor Knall Geräuschen hatte, nach ihrem ersten Silvester bei mir, hat sie drei Tage das Haus nicht mehr verlassen. Auch das hat es nicht einfacher gemacht.
Aber ich hatte sie von Anfang an unheimlich lieb, also hab ich mich hundertprozentig auf sie eingelassen. Und ich habe verstanden, dass nicht Mara sich verändern und der Hund werden muss, den ich mir gewünscht habe, sondern dass ich das Frauchen werden muss, dass sie braucht, dass ich ihr so weit es geht, Freiheit geben muss. Das war unser Weg, und es war der allerbeste und der allerschönste. Mara war nicht der Hund, den ich mir gewünscht hatte, aber sie war der Hund, den ich am meisten gebraucht habe! Ich habe mit ihr die schönsten Wanderungen unternommen. Ich habe die schönsten Orte gesehen, die ich niemals entdeckt hätte, wenn Mara nicht für uns entschieden hätte, wo wir lang gehen. Wir sind Wege gelaufen, von denen ich keine Ahnung hatte, wo sie uns hinführen, und ob wir jemals wieder nach Hause finden werden. Alleine hätte ich mich das niemals getraut, aber Mara hat mir mit ihrer Stärke und ihrem Selbstbewusstsein den Mut und das Vertrauen geschenkt, einfach zu machen und nicht darüber nachzudenken. Ich weiß nicht, wieviele tausende Kilometer wir gelaufen sind, wieviele Stunden wir auf Wiesen standen, weil sie Löcher nach Australien buddelte, wie oft ich durchnässt und durchgefroren noch eine Stunde dran gehängt habe, weil sie noch nicht genug hatte…
Weil sie so besonders aussah, wurde ich ständig von fremden Menschen angesprochen, die sich für sie interessierten. Eigentlich fühle ich mich im Kontakt mit anderen Menschen immer unwohl und unsicher, aber mit Mara war auch das irgendwie viel einfacher.
Mara war so voller Lebensfreude, und die Welt aus ihrer Sicht zu sehen, hat mir auch meine Lebensfreude zurück gegeben. Ich habe so viel über mich selbst gelernt, dass ich mutiger und stärker bin, als ich dachte, dass ich viel mehr schaffen kann, als ich mir zugetraut hätte.
Ich lese so oft die Geschichte vom “dankbaren” Tierschutzhund. Mara war nicht dankbar, aber das musste sie auch nicht. Ich bin diejenige, die unendlich dankbar ist, dafür dass ich das Frauchen dieses außergewöhnlichen und besonderen Hundes sein durfte. Dafür, dass sie meinem Leben wieder einen Sinn gegeben hat. Dafür, dass sie mir auf ihre ganz spezielle Weise jeden Tag gezeigt hat, dass wir beide ganz fest zusammen gehören.
Dafür, dass mein Leben jetzt so viel besser ist als vor Mara.
Heute bin ich nicht mehr einsam, dank Mara gibt es mittlerweile wieder ein paar wenige liebe Menschen in meinem Leben. Ich werde nie ganz gesund sein, aber das ist ok, ich habe ein gutes Leben.
Vor drei Wochen ist Mara nach 13 gemeinsamen Jahren gestorben. Es war absehbar, denn sie hat im letzten Jahr stark abgebaut, ihre Blutwerte waren eine Katastrophe. Aber wie sie halt so war, hat es sie nicht interessiert, dass andere Hunde mit diesen Werten gar nicht mehr aufstehen würden. Sie hat einfach weiter gemacht, viel langsamer und viel weniger natürlich , aber mit der gleichen Lebensfreude, Stärke und Sturheit. Diese Zeit war noch einmal anstrengend, mit vielen Sorgen und Ängste, aber auch wunderschön, weil wir beide nochmal ganz intensiv gespürt haben, wie sehr uns unsere gemeinsame Zeit fest miteinander verbunden hat. Und weil sie mir in ihren letzten Wochen doch noch ganz deutlich gezeigt hat, dass sie mich liebt und braucht. Dafür bin ich unendlich dankbar.
Dass ihr Tod für mich unendlich schmerzhaft werden wird, war immer klar. Dass es für mich furchtbar schwer werden wird, ohne sie weiter zu leben, weil Mara mein Leben war. Weil ich immer gewusst habe, dass für mich nie mehr jemand so sein kann wie sie. Das spüre ich jetzt nochmal besonders deutlich. Das ist schön und unendlich traurig zugleich.
Irgendwie wird mein Weg weitergehen, ohne Mara. Auch wenn ich mir das gerade gar nicht vorstellen kann. Auch wenn ich gar nicht weiß, wie das geht, weil sie mir jetzt nicht mehr den Weg zeigt. Auch wenn da gerade wieder so viel Sinn– und Mutlosigkeit ist, weil ich sie unendlich vermisse.

Ich möchte Euch heute Danke sagen. Danke, dass Ihr mir damals vertraut und daran geglaubt habt, dass ich Mara ein schönes Zuhause und ein gutes Leben bieten kann. Dass Ihr mir diese Chance gegeben und mir damit das größte Geschenk meines Lebens gemacht habt. Dank Euch durfte ich diesen außergewöhnlichen und besonderen Hund so lange begleiten und über alles lieben, dafür werde ich für immer von ganzem Herzen Dankbar sein. Ihr habt mir mit Mara das größte Geschenk meines Lebens gemacht, das werde ich Euch nie vergessen.

Auch wenn mein Herz gerade gebrochen und meine Welt wieder sehr dunkel ist, ich werde meinen Weg hier weiter gehen, mit Mara in meinem Herzen und ihrem Schatten an meiner Seite. Mara hat das Leben so sehr geliebt, und ich hoffe, dass ich in Ihrem Sinne weiter tun kann.
Und wenn mein Herz nicht mehr so schwer sein wird, dann hoffe ich, dass ich irgendwann noch einmal einer Fellnasen ein Zuhause schenken kann, vielleicht dann ja sogar wieder von Euch.

Ich danke Euch von Herzen für Eure Arbeit. Bitte macht weiter so, auch wenn es oft schwer ist. Aber ich wünsche mir sehr, dass Ihr noch vielen Tieren ein neues Zuhause geben könnt, in dem Sie Ihren Menschen genauso viel geben können, wie Mara mir gegeben hat.